Rüstungsdeal S-400 Triumph – Putins Rakete, die auch Stealth-Jets der USA vom Himmel holt
von Gernot Kramper
Lange Zeit beherrschten die USA weltweit den Luftraum, doch die S-400 wird auch den unsichtbaren Stealth-Jets gefährlich. Für den Kreml ist das System ein Verkaufsschlager, für die NATO ein Albtraum.
Die russische S-400 gilt als eines der leistungsfähigsten Luftabwehrsysteme der Welt. Sowohl von der Zielerfassung wie auch von der Reichweite her sind die Leistungsdaten imponierend. Die S-400 ist nicht eine einzelne Rakete, sondern ein ganzes System, das auf mehrere Fahrzeuge verteilt ist. Hier unterscheidet sich die S-400 von Luftabwehrwaffen für den Nahbereich bei denen Radar, Kommandoeinheit plus Raketenstarter in einem Fahrzeug untergebracht wird.
Umfang des Türkei-Deals
Die Türkei hat zwei Batterien gekauft, zwei weitere sollen in der Türkei montiert werden. Jede Batterie besteht aus den Raketenstartern, Zielerfassungsradar, einem Langstrecken-Überwachungsradar und einem Kommandofahrzeug. Jeweils vier Startröhren befinden sich auf einem Truck. Eine Batterie kann mit dem Radar bis zu zwölf Start-Trucks ansteuern.
Wie alle Luftabwehrsysteme kann auch die S-400 nicht allein eine vollkommene Abrieglung eines Gebiets vornehmen. Sie ist nur ein Baustein in einer Architektur der Luftverteidigung. Allerdings ein mächtiger Baustein. Die S-400 sperrt große Zone für Flugzeuge und Raketen. Gegen Waffen wie Cruise-Missiles, die sich im Tiefflug bewegen, ist die S-400 weniger geeignet.
Ihre Raketen des Typs 40N6 besitzen eine Reichweite von 400 Kilometern. Die effektive Einsatzreichweite ist – wie bei allen diesen Systemen– auch unter guten Bedingungen geringer.
Die genauen Leistungsdaten der S-400 sind im Westen unbekannt. Doch es wird vermutet und von Moskau behauptet, dass das Radar der Anlage die "unsichtbaren" Stealth-Jets der USA aufspüren und ins Ziel nehmen kann. Der Westen war zumindest bisher skeptisch. Der Kauf der S-400 durch die Türkei und andere Staaten ist aber ein deutlicher Hinweis, dass Russland die Käufer davon überzeugen konnte. Es spricht nun viel dafür, dass diese Fähigkeiten tatsächlich bestehen.
Die S-400 sperrt das östliche Mittelmeer
Die Anwesenheit nur einer russischen Batterie in Syrien hat dazu geführt, dass westliche Jets den Luftraum nicht mehr beherrschen beziehungsweise, dass Einsätze unkalkulierbar geworden sind. Mit vier Batterien der S-400 würde der Einfluss der Türkei im östlichen Mittelmeer enorm steigen. Die geostrategische Lage der Türkei wird durch Reichweite und Feuerkraft des Systems enorm gesteigert. Gegen den Willen Ankaras wird in diesem Gebiet niemand in der Luft operieren können
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Lange Zeit weigerten sich die USA, dem Verbündeten Türkei diese Waffe zu liefern. Im Verlauf desSyrienkriegs sollten Patriot-Batterien anderer NATO-Staaten das Gebiet der Türkei sichern. Ankara hat daraus die Lehre gezogen, dass die Türkei nur ein Verbündeter zweiter Klasse sei.
Mit dem russischen System wählt die Türkei den Weg der größeren Selbstständigkeit und der geringeren Abhängigkeit. Die russischen Systeme besitzen den kompletten Funktionsumfang. Weder sollen die Raketen Gebietsrestriktionen kennen, noch besitzen sie eine eingebaute Freund-Feind-Erkennung. Die S-400 können anders als die US-Anlagen gegen jeden Gegner eingesetzt werden. Im Prinzip könnten sie sowohl russische Jets wie auch die Fighter der USA vom Himmel holen.
Putins Deal ist besser als das Angebot von Trump
Die S-400 gilt als weit fortgeschrittener als das Patriot-System, dazu kostet sie in etwa die Hälfte. Zudem bietet der Kreml einen besseren Deal an. Die Türkei ist bei allen Waffenkäufen an einem Technologietransfer interessiert, die eigene Rüstungsindustrie soll Zugang zu Spitzentechnologie bekommen. In einem ersten Schritt werden die Batterien nur montiert, aber es ist zu erwarten, dass die Türkei danach beginnen wird, eigene Systeme zu entwickeln. So wie Ankara bereits selbstständig die Anti-Schiffsrakete Atmaca entwickelt hat und in diesem Bereich nicht länger vom Wohlwollen der Verbündeten abhängig ist.
Russland bekommt Zugang zur NATO-Technik
Auf die NATO kommt so ein Riesenproblem zu: Die S-400 ist nicht kompatibel mit anderen Systemen der NATO-Luftabwehr. Belässt man es dabei, verliert die NATO ihren Einfluss auf den strategisch wichtigen türkischen Luftraum. Findet man Wege, die S-400 etwa mit den Awacs-Überwachungsflugzeugen zu verbinden, wird Russland tiefe Einblicke in die NATO-Technik erhalten. Denn russische Techniker werden die S-400 warten und updaten. Auf Dauer wird es nicht bei der S-400 bleiben. Luftverteidigung funktioniert im Verbund verschiedener Systeme. Auf sich allein gestellt, macht auch eine eindrucksvolle Waffe wie die S-400 wenig Sinn. Durchaus möglich, dass Ankara die Wunderrakete um Abwehrsysteme für kurze Distanz und weitere Radaranlagen ergänzt.
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